Ehrenbürger der Stadt Teupitz
Autor: Ortschronist Lothar Tyb'l
Stadt Teupitz am See
Autor: Ortschronist Lothar Tyb'l
Einer bedeutenden Ärztefamilie zugehörig. Sein Vater Albert Gutzmann (1837-1910), der Bruder Prof. Hermann Gutzmann sen. (1865-1922) und der Neffe Prof. Hermann Gutzmann jun. (1892-1972) waren entscheidende Wegbereiter der Sprach- und Stimmheilkunde in Deutschland. Einer seiner Söhne, Rudolf Gutzmann, wirkte ca. 1953-55 als Bürgermeister der Stadt Teupitz.
Besuch des Friedrich- Werderschen bzw. des Leibniz-Gymnasiums in Berlin, Medizinstudium ab 1890. 1895 Examen an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin und Dissertation über ‚Zusammenhänge zwischen Nähmaschinenarbeit und Frauenkrankheiten’.
Aufnahme der Tätigkeit als praktischer Arzt in Teupitz am 1. Oktober 1897. Sein sachkundiges und aufopferungsvolles ärztliches Wirken für die Einwohner der Stadt und Umgegend dauerte nahezu 50 Jahre an und würde nach Einschätzung älterer Teupitzer mit dem in der späteren DDR geschätzten Titel „Verdienter Arzt des Volkes“ eine richtige Würdigung erfahren haben, sofern es diese Auszeichnung damals gegeben hätte.
Eröffnung der ersten Apotheke in Teupitz am 4. Oktober 1900 dank seiner Bemühungen. Die Einrichtung eines von ihm geförderten und vom Magistrat 1912 geplanten kleinen, allgemeinen Krankenhauses in Teupitz scheiterte an den landesweit beginnenden Belastungen zur Vorbereitung des Ersten Weltkrieges.
Aktiver Beitrag zur Einrichtung einer städtischen Volksbibliothek im Jahre 1901.
Umfangreiche Vorstands- und Vortragstätigkeit im „Obst- und Gartenbauverein 1911 von Teupitz und Umgegend“, der im gesellschaftlichen Leben der Stadt bis in die 30er Jahre eine große Rolle spielte und das ehrgeizige Ziel verfolgte, die Teupitzer Gegend zu einem Obstan-baugebiet ähnlich wie um Werder zu entwickeln.
1928 wird von ihm der ‚Schachclub Teupitz’ im „Schenk von Landsberg“ ins Leben gerufen.
Jahrzehntelanges, dem Gemeinwohl der Kommune dienendes ehrenamtliches Wirken als stellvertretender Bürgermeister, als Beigeordneter, Vorsteher und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. In den schwierigen Kriegsjahren 1914-18 vertritt er den eingezogenen Bürgermeister Leo Rösener. 1918-21 steht er an der Seite des neu gewählten, jungen Stadt-oberhaupts Paul Lehmann.
Seine kommunalpolitisch produktivsten Jahre erlebt er 1922-1933 in der Weimarer Republik im Gespann mit dem initiativreichen Bürgermeister Johannes Schäfer jun. Gegen die Nazis vertritt er mit Schäfer zunächst das ‚Selbstverwaltungsrecht der Kommunen als ein Grundrecht der Bürger’ gegen das ‚Führerprinzip’ und quittiert den ehrenamtlichen Dienst. Die Verleumdungen der NSDAP-Ortsgruppe über eine angebliche Misswirtschaft während der als ‚Systemzeit’ diffamierten Weimarer Jahre weist er öffentlich zurück.
1945 wird ihm von der Teupitzer Kommission zur Entnazifizierung die ‚einfache Mitglied-schaft’ in der NSDAP seit dem 1. Januar 1933 bestätigt. Der vom sowjetischen Komman-danten eingesetzte Bürgermeister Hans Sußmann setzt sich in einem Schreiben vom 12. Dezember 1945 an den Landrat für ihn ein, spricht von einer ‚Tragik’ des um die Stadt verdienten Arztes und bemüht sich um dessen aktives Mitwirken beim Neuaufbau von Teupitz. Der Sanitätsrat verneint, nicht, weil er „Kommunisten nicht mag“ und selber „keiner werden will“, „sondern weil er alt und krank sei“, wie er Hans Sußmann freundschaftlich kundtut. Doch so lang seine schwindenden Kräfte reichten, unterstützte er diesen zum Wohle der Bürger von Teupitz.
Sein Wohnhaus und seine Praxis an der nach ihm bzw. seinen Vater benannten Gutzmann-strasse Nr.21 wurde zu einem bekannten Postkartenobjekt der Stadt und erinnert geschichts-kundige Einwohner an den beliebten Ehrenbürger. In der Nachwendezeit nach 1990 saniert, fehlt dem Gebäude heute leider die für das Gutzmannsche Anwesen charakteristische Toreinfahrt mit Pergola.
An dem beeindruckenden Familiengrab der Gutzmanns auf dem städtischen Friedhof vermisst man eine Gedenktafel gerade für diesen Albert Gutzmann.
Verleihung der Ehrenbürgerschaft
anlässlich des 25-jährigen Jubiläums
als Bürger der Stadt am 10. Oktober 1922
Gutbürgerliches, vermögendes Elternhaus. Besuch des Berliner Jahn-Gymnasiums.
Mutter Jüdin. Dem mörderischen Antisemitismus in Nazi-Deutschland entgeht Hans Sußmann nach den Nürnberger Gesetzen (1935) und den Festlegungen der berüchtigten Wannsee-Konferenz (1942) nur durch glückliche Umstände.
Freiwillig meldet er sich 1914 von der Schulbank an die Westfront. Soldat (Unteroffizier) bis 1918. Die Kriegserlebnisse veranlassen ihn, dem illegalen antimilitaristischen „Genter Bund“ beizutreten und während der Novemberrevolution 1918/19 Mitglied eines Soldatenrates zu werden.
Erst in der Nachkriegszeit, zu Beginn der 20er Jahre Berufsausbildung zum kaufmännischen Angestellten. Als selbständiger Vertreter und von 1930-1944 als Inhaber eines darlehengestützten Seifen- und Kosmetikgeschäfts in Berlin-Kreuzberg sichert er sich eine bescheidene bürgerliche Existenz.
Die krisen- und kampferfüllten Anfangsjahre der Weimarer Republik führen ihn 1925 in die KPD, der er auch unter dem Terror und dem Antisemitismus der Nazis treu bleibt und bis 1946 angehört. Deren Vereinigung mit der SPD im Jahre 1946 wird von ihm begrüßt und in Teupitz aktiv gefördert. Mitglied der SED bis zu seinem Tod 1985.
Mitglied der „Roten Hilfe“ und ehrenamtlicher Gewerkschaftsvertreter der Angestellten der Seifenindustrie vor 1933.
1933-1945 illegale antifaschistische Tätigkeit im Unterbezirk Berlin-Südost der KPD und in der viele Schichten umfassenden Widerstandsorganisation um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack. Der Standhaftigkeit von Freunden verdankt er sein Überleben, als die von der faschistischen Abwehr als „Rote Kapelle“ bezeichnete Organisation 1942 zerschlagen und fast alle Mitglieder der Berliner Gruppe hingerichtet werden. Die DDR ehrt ihn mit der „Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus“ und dem „Vaterländischen Verdienstorden“.
Ab Spätsommer 1944 halbillegaler Aufenthalt in der Sommerhütte/Teupitzer Ortsteil Kohlgarten des befreundeten Berliner (Wehrmachts-) Arztes Hans Gollwitzer. Erster Nachkriegsbürgermeister in Teupitz 1945/46. Kommissarisch berufen vom sowjetischen Stadtkommandanten, setzt er sich, gesundheitlich angeschlagen und über den Lebenszenit bereits hinweg, für die notdürftige Beerdigung der Tausenden Toten der „Halber Kesselschlacht“ und den Wiederaufbau des zerschundenen Schenkenländchens ein. Die Entnazifizierung, die Bodenreform und die Schulreform gehören zu seinen komplizierten Aufgaben.
Er organisiert 1946 die ersten Gemeindewahlen nach dem Krieg, die der CDU-Ortsgruppe eine Mehrheit in der Gemeindevertretung und damit den Bürgermeisterposten brachten. Von 1945-49 agiert er zugleich als Bürgermeister des Südkreises Teltow, der auf sowjetischen Befehl als Teil des Altkreises Teltow geschaffen, 1949 jedoch wieder aufgelöst wurde. Als Stadtverordnetenvorsteher von Teupitz widmet er sich über viele Jahre den vielfältigsten kommunalpolitischen Aufgaben in seiner neuen Heimatstadt und erringt die Achtung und Anerkennung vieler Bürger.
Von 1950 bis zu seiner Pensionierung 1963 ist Hans Sußmann als Verwaltungsleiter der Landesklinik Teupitz und vertrauensvoller Partner des ärztlichen Direktors Dr. Walter Brand tätig. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen die finanziellen Fragen für die Verpflegung und Behandlung der Patienten sowie die umfänglichen Baumaßnahmen wegen der Kriegsschäden und der Einrichtung des sowjetischen Militärhospitals in dem größeren Klinikteil. 1953 wird das alte Gasthaus „Zum Sängerheim“ zu einem betriebseigenen Kulturhaus ausgebaut, 1954 im ehemaligen Schützenhaus ein Betriebskindergarten mit Kinderkrippe hergerichtet und 1951/52 Sporteinrichtungen (Sportplatz, Tennisplatz, Sportlerheim, Badestelle) geschaffen.
Im hohen Alter widmet er sich der Erforschung der Teupitzer Stadtgeschichte. 1974 erscheinen die ersten beiden Teile der viel gelesenen chronistischen Betrachtung „Teupitz und das Schenkenländchen“ und 1981 deren dritter Teil. In den knapp 150-seitigen DIN A4-großen grünen Heften werden erstmals eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte seit 1307 ausgewertet und eigene Forschungen zur Entwicklung nach 1945 hinzugefügt. Dem Zeitgeist der 70er Jahre verbunden, gehört seine Chronik nichtsdestotrotz zum wertvollen Fundus für das geschichtliche Selbstverständnis der Stadt und ihrer Bürger.
Verleihung der Ehrenbürgerschaft
anlässlich seines 85. Geburtstags
am 23. Juni 1982